Sturmfahrten

jan-himp
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Sturmfahrten

Beitrag von jan-himp »

Liebe Dehlyaner,

Ist einer unter Euch der seinen Brüdern und Schwestern im Geiste spezielle Kenntnisse von Sturmfahrten vermitteln kann ? Damit meine ich das er einem praktisch auf dem eigenen Boot zeigen kann wie und was man macht. Kleine Segel und alles Seefest machen ist ja klar, macht sicher jeder, aber eventuel hat einer ja einen guten Gedanken auf den nicht jeder kommt. Nebenbei lernt man sich auch kennen und das wiederum fördert den Zusammenhalt in unserer Bootsklasse.

LG von der Jan Himp

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immer eine Hand voll Wasser unterm Bauch
Wattenwurm
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Beitrag von Wattenwurm »

Moin Jan Himp,

Musste einige Zeit überlegen, was ich nun dazu schreibe. Klar kann man mit unseren Schiffen 5-6 und mehr segeln. Es gibt auch Leute, die extra Starkwindfahrten anbieten. Aber ....
Ich fang mal anders an:

Sturmfahrten, guter Begriff, aber wo fängt das an und wo endet das. Ich definiere das mal als Zusammenspiel von Wind, der Reaktion des Reviers und meines Schiffes darauf, des Kurses zum Wind und Welle, sowie der Eigeneinschätzung meines Wissens (Könnens mag ich nicht wirklich gerne schreiben) und meiner Verantwortung als Skipper mir und der Crew gegenüber. Aus diesem Mix besteht eigentlich jeder Törnschlag den man entsprechend vorbereiten sollte und somit fällt es mir schwer, mich zu speziellen Tipps hinreisen zu lassen.
Ich versuche an solchen Tagen, wo man nicht einfach so aus dem Hafen fährt, die Punkte eigentlich immer vorher ab zu klären. Wichtig für mich dabei, an den kritischen Punkten der Törnplanung immer eine Alternative im Kopf zu haben. Mann führt dann das Manöver des Beidrehens wesentlich beruhigter aus. Und irgendwann sollte man auch nicht die Hemmungen haben und sagen ich bleib mit meinem "Arsch" lieber da wo ich bin. Auch wenn das auf den "Lügenbänken" in den Häfen manchmal anders rüberkommt, ist das absolut KEINE Schande.

In dem Sinn immer eine Hand Wasser unterm Kiel sowie Mast und Schotbruch und eine tolle Saison 2007

Gruß Wattenwurm
jan-himp
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Beitrag von jan-himp »

Hi Wattenwurm,

manchmal ist man nur noch eine Stunde oder auch nur 1-2 Mailen vom Hafen entfernt und es erwischt einen voll, will sagen man kann es sich nicht aussuchen ob ich beidrehe oder vor Top und Takel die Wetterfront abreite. Wenn ich an der See bin, damit meine ich Ostsee , dann ist bei mir schon bei einem starken 5er schluß mit lustig. da muß ich mir nicht beweisen was fürn toller Segler ich bin. Wenn der Wind also zwieschen 5 und 6 ist laufe ich nicht mehr aus, aber, ich muß dennoch in der Lage sein wenns mich überrascht die Crow und Boot sicher in den Hafen zu bekommen. Wie erreiche ich, das das Boot bei, für unsere Bootsgröße, extremen Wind dahin geht wo ich es hinhaben will. Ich glaube das dies nur zu erreichen ist wenn man sein Boot auch in extrem Situationen kennt und darüber auch Theoretisches Wissen hat. Ich für meinen Teil hatte das Glück einen eigenen Segelpapst zu haben der mir auf meinem eigenen Boot so einiges zeigen konnte was wie und warum so geht. Die Frage also auch darum um die Erfahrung anderer zu lesen und irgendwo in sich zu speichern, zu lernen. Vieleicht bilden sich ja ein Paar Kernpunkte herraus die in den Erfahrungsberichten immer wiederkehren und somit wichtig werden und allgemein übernommen werden können. Das es sie gibt allgemein gesprochen ist klar, aber jetzt mal ganz eng auf unsere Boote gesehen, da auch? Ich behaupte mal frech das jede Bootsklasse eigene Gesetze, eine eigene Gesetzmäßige Physik hat und das wollte ich versuchen zu ergründen oder wie auch immer es man nennen soll.
LG von der Jan Himp

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immer eine Hand voll Wasser unterm Bauch
Wattenwurm
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Beitrag von Wattenwurm »

Moin Jan Himp,

also greifen wir doch mal Dein angedeutetes Beispiel auf und theoretisieren ein wenig. Dazu sollten wir aber noch ein wenig mehr Randparameter definieren.

Also nehmen wir mal an: Wir sind auf der Ostsee, unser Zielhafen (Küstenlinie) liegt 1 bis 2 sm im Westen von unserer derzeitigen Position, wir haben rund um uns herum eine Wassertiefe von 5-10 Meter, wir kommen mit unserem Kurs irgendwo aus den N-E oder S-E Sektor. Sind also mit halben bis hoch am Wind unterwegs. Haben die letzten Tagen konstant westliche Winde mit 3-4 gehabt. Somit müsste eine Wellenhöhe von ca. max 0,5 Meter vorliegen. Der Wetterbericht sagte voraus: Schönes Wetter, Wind 3-4 aus West. Aufziehende Gewitterwolken mit Böen aus West um 6 in Spitzen bis 7.

Bis hierhin eine normale jahreszeitbedingte Ostsee ? Situation.

Da der Tag ja schön war haben wir voll Zeug stehen und die anziehende Gewitterwolke "haben wir übersehen", ausweichen ist also nicht mehr möglich und die erste Böe drückt uns gerade aufs Wasser. Die Rettungswesten liegen "natürlich" auch noch tief in der Backskiste. Deine Frage nun, was tun mit der 22?ger?

Ich würde sagen, erst einmal Ruhe bewahren.

Je nach dem, wie die Gewitterwolke aussieht, würden mir zwei Varianten einfallen. Da wir auf offenen, tiefen Wasser sind, brauche ich mir durch die zeitliche Verzögerung über die Wellenreaktion zu diesem Zeitpunkt und in dieser Konstellation keine weiteren Gedanken machen.

Ist das Ende der Wolke erkennbar oder nicht ist also die wesentliche Frage.

Ist es nicht erkennbar, würde ich die Segel aufieren, das Schiff auf halben Wind Kurs stabilisieren, alles aufklaren, S-Fläche verkleinern,Otto zum leben erwecken, in den Wind drehen und die Segel bergen. Die 1-2 sm unter Maschine in Richtung Hafen laufen und die gewonnene Zeit und Ruhe dazu nutzen das Schiff und die Crew auf das Hafenmanöver vor zu bereiten. Die Crew wird es Dir später danken.

Ist das Ende erkennbar und habe ich den Ergeiz den Hafen unter Segel zu erreichen, auch erst einmal Segel auffieren (Druck aus den Tüchern nehmen), Boot auf Kurs halben Wind bringen. Segelfläche verkleinern, wobei die Frage entsteht welches Tuch fasst man nun als erstes an. Meine Erfahrung mit Gewitterwolken in diesem Gebiet (die stärksten Böen treten am Anfang der Wolke auf und/oder werden hinter ihr hergeschleppt) würde mich dazu veranlassen, das Groß zu bergen, nur unter Fock das Schiff auf halben Wind Kurs halten. Die Wolke so zu sagen abwettern. Wenn die Wolke dann durch ist, Groß gerefft oder ungerefft, wieder setzen, um mit der 22?ger wieder Höhe laufen zu können. Bei sehr kleinen Gewitterwolken hab ich allerdings auch schon nur das Groß (Reff war vielleicht schon drin) mal stehen gelassen. Man nimmt dann aber in Kauf, dass man es nicht bei jeder Böe schafft, dass das Schiff sich aufs Wasser legt. Kann auch ziemlich ins Material hauen. Vermeiden würde ich auf alle Fälle, dass ich mit stehenden Groß die Böen mit offenen Schoten von achtern bekomme. Das Groß könnte Dir die Saling nach vorn drücken und dass würde die Standfestigkeit des Mastes stark schwächen.

Aber klar, alles mal so unter den Randbedingungen angedacht. Jede Situation ist eigentlich anders und erfordert evtl. andere Reaktionen.

Gruß
Wattenwurm
jan-himp
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Sturmfahrten

Beitrag von jan-himp »

Hi Wattenwurm,

siehst Du, genau auf so eine schöne detailierte Antwort habe ich gehofft. So eine Antwort schreibt nur jemand der schon mal auf der Ostsee war und dort so seine Erfahrungen gemacht hat. Der Seglerfreund der aus einem Binnenrevier kommt und mit der Ostsee das erste mal kontackt hat, hat doch nun eine art Orieontierung, eine art möglichen Weg das Problem plötzlicher Hartwind zu lösen. Ich glaube, nein ich weiß, die Ruhe zu bewahren, konzentriert und suverän zu reagieren ist das a und o bei dieser Situation.
LG Michael von der Jan Himp

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Klaus Görlitz
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Beitrag von Klaus Görlitz »

Hallo
Gutes Thema
Auch ich gehe ab 5 Windstärken mit der 22 nicht mehr gerne auf´s Wasser, habe schon mal mehr erlebt.
Mann muß halt mit jedem Wetter umgehen können.
Wichtig ist früh genug Segel Reffen wenn es eben geht Sturmfock als stabi
lisation.

Klaus


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Klaus
Loctite
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Beitrag von Loctite »

hallo liebe dehlyaner
ich möchte die diskussion hier wieder eröffnen.
ich war in diesem jahr wieder oben an der ostsee und bodden , habe wollin gerundet und war noch im stettiner haff unterwegs , meist auf polnischer seite .
es hat mich nun auch mal richtig erwischt , von swinemünde durch die kaiserfahrt kommend wollte ich in richtung ückermünde. schauerböen bis 7 und welle ca 1 meter .
da ich wenig erfahrung mit dem boot bei starkwind habe hatte ich erstmal alles weggenommen als ich die schwarze wolke kommen sah. nur unter motor gegenan und das bug im wind gehalten, als es etwas nachließ dann nur unter fock weiter. ich finde die 25 ist über 6 bft nichtmehr besonders freundlich .
die 3 wochen waren insgesamt sehr mit starkem wind gesegnet. ich finde es im nachhinein garnicht schlecht , trotzdem hab ich mich nicht immer sehr wohl gefühlt.
was sagen die alten hasen? bin für ratschläge und tips immer dankbar.
ach ja , wie immer war ich alleine unterwegs.


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Hansemann
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Beitrag von Hansemann »

Hallo Dehlya Freunde,

wollte Euch hierzu meine ( brandneuen ) Erfahrungen aus Kroatien mitteilen. Ich hatte euch ja vorab mitgeteilt, dass ich Anfang August für
ca. 2,5 Wochen nach HR gehe.
Wir hatten 13 wunderschöne Tage.
Einen Segeltörn mußten wir nach ca. 3 Sm abbrechen weil die BORA Böen so stark waren, dass wir nur unter Fock ( mit Stagreiter ) fahrend den Segeldruck mehrmals nicht mehr halten konnten. Das Vorschiff hatte soviel Seitendruck, dass ich mit dem Ruder nicht mehr dagegen halten konnte. Uns hat es einfach mach SB gedreht. Somit war wohl die Grenze erreich, ja wohl schon überschritten. Wir nahmen das Vorsegel ab und liefen in die nächste Bucht ( Fuska by Krk ) mit unserem AB ein.
Was meint Ihr dazu, was hättet Ihr gemacht.......?

Obwohl starker Winddruck auf den Bug und eine kurze Welle gegen uns stand hatten wir mit dem 6 PS AB nie ein Problem. Wir mußten nicht mal Vollgas geben. ( Soviel meine Erfahrung über den PS Bedarf des AB )


Tage später hat es uns aber in der Bucht Stara Baska voll erwischt.
Nach einem herrlichen Badetag wurden wir zuerst von Fischern dann über Funk gewant, dass eine sehr starke BORA mit Böen bis 55 Kn kommt.

Die Spitzengeschwindigkeit der Böen wurden von einem amerikanischen Segelboot ( welches auch vor Ort war ) mit 12 - 13 Bft. gemessen.
Somit kann ich keinen Bericht geben wie es auf See mit Sturm ist, aber zusammen mit Frau und Tochter einen starken Sturm in einer nicht gerade geschützten Bucht abreiten war die Hölle.
Wir saßen, in unserer bockenden Dehlya 22 nur so rum. Ich kann nicht mehr sagen was das Schlimmste war. Das Reissen und zerren der Leinen am Boot oder der heulende Wind im Rig oder später die ständigen Blitzeinschläge. Riesige Schaum + Gischtmassen flogen über unser Segelboot. Wir haben am Boot keinen Schaden erlitten. Alles hielt, Anker, Trossen, Leinen und die Klampen. Also das ist beruhigend...wir wissen jetzt das Dehler klasse ist, aber seelisch haben wir schon einen knacks bekommen. Die Nacht war nicht lustig !

Ein italienisches Motorboot ( ca. 7 mtr. lang ) lag auch in der Bucht an einem großen Betonklotz. Das Boot ging während des Sturmes mit samt
des Klotzes ca. 5-6 mtr. auf Wanderschaft Richtung Land. Viel hat hier nicht mehr gefehlt.

Die Fischer haben uns berichtet das weiter drüben beim Campingplatz ein Schlauchbootfahrer während der Ansteuerung nach Stara Baska ( und trotz Schwimmweste ) leider ums Leben kam.

Wir waren ( bzw. sind ) durch unser erlebtes bedient.... gut das wir noch einige gute Tage danach auf dem Boot hatten und ja auch noch bis Omisalj ( Hafen bei der Brücke zu Krk ) segeln mußten. Hätten wir mit dem Boot sofort aus dem Wasser gekonnt weiß ich nicht ob der Familienrat ( Frau und Tochter ) darauf gedrängt hätten.

Servus
Hansemann




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sailor
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Beitrag von sailor »

Hallo Miteinander,
grundsätzlich gibt es keine allgemeinen verbindlichen Richtlinien
wie man sich bei Starkwind verhalten soll. Dies ist immer von der
Situation vom Boot und vom Können der Besatzung abhängig.

Ich segle seit über 40 Jahren und habe auch schon Überführungen
zwischen Kroatien und Griechenland durchgeführt d.h. 5-6 Tage Nonstopp segeln und hatten fast immer 1-2 Schwerwettertage dabei.

Die Dehlya bietet folgende Trimmöglichkeiten wenn der Wind zulegt:
1. das Achterstag durchsetzen dadurch macht das Groß oben auf und die
Krängung wird geringer.
2. den Traveller nach lee dadurch wird das Groß noch mehr flach getrimmt gleichzeitig das Unterliek des Groß durchsetzen.

3. wenn dies nicht reicht Groß reffen und kleinere Fock setzen.
Solange keine Legerwallsituation besteht würde ich vor dem Wind ablaufen.
Weiter Möglichkeiten sind beigedreht liegen oder treiben vor Top und Takel.
Gegenan bei Welle mit der Dehlya kann man vergessen sie stampft sich fest bleibt stehen und ist somit manöverierunfähig und dann wird es kritisch.
Habe es auf größeren Schiffen auf der Adria sowie auf der Ostsee schon erlebt dass wir unter Maschine gegenan nicht mal mehr einen Knoten
Fahrt zusammenbrachten.
Wenn man auf dem Meer segelt ist oberstes Gebot seine Etappen entsprechend dem Wetter zu planen. D.h. sich mit der Wetterkunde
intensiv auseinandersetzen und sich nur bedingt auf Andere verlassen.

Gruß
sailor

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D 22 "SUSI"
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Loctite
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Beitrag von Loctite »

hallo
ist schon klar das man für diese art situationen kein allgemeingültiges rezept abgeben kann. zuvieles spielt da rein.
aber verständlich für jeden sollte auch sein das man in dem moment nach der passenden lösung sucht , fehler können immer verhängnisvoll enden.
hilfreich sind die diskussionen vielleicht hinsichtlich der ideen der anderen.
zum ablaufen schien mir der wind noch nicht stark genug , ich hatte nur sorge ,die welle , die höher als die bordwand war von der seite zu kriegen. die schauerböen hielten auch nicht allzulage an so das ich das gröbste mit nase im wind abfangen wollte. viel manöverfreiheit hatte ich nicht weil es dort nur so von fischernetzen und flachs wimmelt. es ging im groben also nur vor oder zurück .den wetterbericht hatte ich gehört und es war 4-5 bft angesagt.
nachdem ich festgestellt hatte das das boot bis an die 6 bft bei mäßiger welle ganz gut zu segeln ist, normalfock 2.reff, fand ich das aktzeptabel . im notfall wäre ich abgelaufen .
ich hab übrigens in diesem urlaub auch die 7 knoten marke erreicht ohne es zu wollen.
schöne grüße norbert

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