Neue Fock und unerwartetes Problem

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Franz
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Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Franz »

Hallo allerseits,
beim Kauf einer neuen Fock hat sich ein Problem ergeben, welches ich so nie erwartet hätte.
In der Konsequenz stellt sich das Ganze für mich leider als Fehlkauf heraus.
Mich würde interessieren wie eure Meinung dazu ist.

Eines vorweg: Ich werde den Hersteller hier nicht nennen, auch nicht per PN, da ich Kunden kenne, die voll und ganz mit ihrem Segel zufrieden sind.
Vielleicht ist mein Segel ja nur eine Ausnahme oder ich liege mit meiner Einschätzung falsch – was ich allerdings nicht glaube…
Das Herstellerlogo habe ich in den Bildern unkenntlich gemacht.
Ach ja, bitte keine Diskussion welches Material, Segelschnitt, Hersteller etc. besser ist.

Das war meine schriftliche Anfrage
Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte Sie um ein Angebot für eine High-Aspect-Fock:

Bootsdaten: Dehler 22 (Festkiel) Baujahr 1994, 7/8-Rigg, original Fockroller der Firma TOP-REFF
Maße soweit mir bekannt: Fock 7,8 m², I=7250mm, J=2150mm, P=7900mm, E=3000mm
Segelrevier: Binnensee u. Ijsselmeer, im Herbst auch häufiger bei 5-6 Bf unterwegs
Segelanspruch: Fahrtensegeln und Yardstickregatten.
Wichtig sind mir: Ein guter Stand des Segels bei vernünftiger Haltbarkeit / Handhabung. Ich benötige nicht „das letzte Quentchen“ an Leistung
Grundlegende Ausführung: Messingstagreiter, ohne Fenster, ohne Segelnummer

Telefonisch von mir noch einmal besonders hervorgehoben:
- Der Fockroller (TOP-Reff) ist keine Rollreff-Anlage.
- Zum Anlegen in der Box müssen wir das Vorsegel zwingend auftrommeln können.

Meine Anfrage wie auch Rückfragen per Mail wurden innerhalb eines Tages beantwortet. Auch der telefonische Kontakt war freundlich und informativ.
Der Liefertermin wurde eingehalten, das Segel war wegen der geringeren Transportkosten gefaltet und nicht gerollt.
Soweit ich das beurteilen kann, ist alles sauber und aufwändig verarbeitet. Preis und Leistung gehen völlig in Ordnung.
Bilder 1.jpg
Im Bild 4 erkennt man das der Schotwinkel zu flach ist – die Schot zieht stark ins Unterliek.
Mit einem kurzen Vorlauf aus Draht oder Dyneema zwischen Fockroller und Segelhals ist das aber schnell zu korrigieren.

Das Problem
Als ich erstmals die Eckverstärkungen in die Hand genommen habe, bin ich erschrocken:
Durch die großflächig und massiv eingearbeiteten Verstärkungen war der Segelhals „bretthart“.
Auch auf einer großen Furlex hätte man seine liebe Not das Segel auf die Trommel zu bekommen – mit dem TOP-REFF-Fockroller besteht nicht die geringste Chance!
Gleiches gilt für die Eckverstärkung im Bereich des Schothorns. Über den Kopf des Segels habe ich momentan noch nicht nachgedacht.
Bilder 2.jpg
Der erste Test ist wie erwartet kläglich gescheitert!
Der Segelhals steht, wenn ich die Fock wegrollen möchte, fast ohne die geringste Krümmung vom Fockroller ab und schlägt bei jeder Umdrehung 2x am Bugkorb an .
Gleichzeitig knickt das Segeltuch unmittelbar hinter der Eckverstärkung um nahezu 180° nach hinten weg.
Der Übergang von den Verstärkungen zum restlichen Segeltuch erfolgt abrupt.
Ich muss bei absoluter Windstille beidhändig an der Schot des Fockrollers – sorry – wie ein Idiot zerren, damit sich dieser überhaupt dreht.

Den Wickeldurchmesser über der Rollanlage schätze ich auf ca. 25cm. Wobei das Wort „Durchmesser“ falsch ist.
Es handelt sich eben nicht um ein mehr oder weniger „rund“ aufgetrommeltes Vorsegel.
Das Segel wickelt sich quasi nicht um den Fockroller sondern um die Eckverstärkung vom Segelhals.
Ich hoffe die Skizze ist verständlich?
Meine Vorsegelpersenning, unter die locker unsere fast doppelt so große Genua passt, kann ich vergessen.

Als die Genua neu war, musste ich auch mehr Kraft aufwenden als dies bei einem 20 Jahre alten, ausgelutschten Betttuch der Fall ist.
Auch der Wickeldurchmesser hatte oberhalb der Trommel – nicht nur wegen des größeren Segels – zugenommen. Aber, alles funktionierte auch bei starkem Wind problemlos!

Was sagt der Hersteller dazu:
Auf meine Reklamation inkl. Fotos erhielt ich bereits am nächsten Tag eine Stellungnahme die ich hier stichwortartig wiedergeben möchte:
- Wir können neue Segel leider nicht nach vorhandenen Persenningen bauen ;-)
Es gibt die Möglichkeit, einen Längsstreifen einzunähen, um für mehr Weite zu sorgen. Dies kann ich Ihnen für pauschal € 45,- anbieten.

- Die Verstärkungen sind bei neuen Segeln immer sehr steif und müssen und sollen dies auch sein.
Zu dünne/leichte Verstärkungen führen automatisch zu schlechterem Segelstand und kürzerem Segelleben.

- Sie können das Segel an den Verstärkungen etwas weich "walken" und ohne weiteres auf einen Durchmesser von 10cm zusammenrollen.

- Denken Sie beim Aufrollen bitte an die handwarm gehaltene Schot - dann rollt das Segel in kleineren Törns auf.

Nachdem ich noch einmal schriftlich widersprochen hatte, erhielt ich umgehend diese Stellungnahme:
- Es gibt leider kein Segel, welches auf dem Ijsselmeer funktioniert und sich gleichzeitig wie ein leichter Code 0 um eine (allem Anschein nach zu klein dimensionierten) Rollanlage "haucht".

- Wir haben Ihnen ein schönes stabiles und passendes Segel gebaut.
Die Verstärkungen werden weicher und das Segel wird sich leichter um die Anlage wickeln, sobald es eine Zeit genutzt wurde.

- Also: Raus auf´s Wasser und frisch gesegelt, dann klappt´s auch mit dem Aufrollen.

Meine Meinung zu den Argumenten des Herstellers halte ich erst einmal zurück. Wie ist eure Einschätzung?
Ich freue mich auf sachliche und konstruktive Beiträge
Gruß Franz
Claus_22
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Claus_22 »

Hi Franz,

Shit ich habe exakt das gleiche Problem. Lass uns mal telefonieren.
Hatte noch keine Zeit in die Diskussion mit dem Lieferanten einzusteigen.
Meine ersten Hinweise haben aber zu den gleichen Antworten geführt.
Zu 100% haben wir gleiche Segel vom selben Lieferanten...
Viele Grüsse
Claus
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Uli
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Uli »

Hallo Franz,
zunächst mal, das Segel sieht sehr gut verarbeitet aus, was ich auf den Bildern sehen kann........Qualität super.
Es sieht mir aber auch so aus, als wenn du eher die Liekmaße der Dehlya hast, die zusätzlich mit Genuaschienen ausgestattet ist. Dadurch kommt der Zug weiter von aussen und etwas weiter von vorne. So wuerde der Schotzugwinkel passen.
Alternativ hätte dein Segel im Achterliek geschätzt 10 - 20cm kürzer sein müssen.
Hast du Liekmaße deines alten, passenden Segels eins zu eins abgemessen, oder geändert? Oder, schlimmstenfalls die Maße aus dem Forum entnommen ohne selbst zu messen? Zunächst bist du ja derjenige gewesen, der die Maße dem Segelmacher angegeben hat. Hat er sie exakt eingehalten, dann hast du die "A...karte"
Die Angabe des Reviers Ijsselmeer mit BFT 5-6 führt dann zum zweiten Problem, nämlich das des sehr festen Tuchs mit vielen Verstärkungen.

Die führen natürlich zu einem extrem stabilen Segel, welches schlechter aufzurollen ist. Ich hatte an meiner Dehlya ja eine Furlex 50S montiert, mit festem Vorstag, welches sich nicht verwinden kann. Trotzdem wollte das Segel auch zunächst nicht sofort sauber aufgewickelt werden. Ich habe dann den Segelhals und auch den Kopf geschätzte 100Mal in alle Richtungen von Hand sehr eng aufgerollt und somit etwas weich gewalkt. Seitdem funktionierte das Aufwickeln völlig problemlos. Da du aber kein festes Vorstag hast wird das Problem tendeziell damit schwieriger zu beheben sein.
Was fällt mit zum Thema Problemlösung ein: Für einen Dehler-Dehlya 22Segler, der Genuaschienen montiert hat, ist dein Segel zweifelsohne sehr gut geeignet. Vielleicht kannst du es ja zum fairen Preis hier im Forum an einen solchen verkaufen und dann das gleiche Segel mit leicht geänderten Liekmassen und eine Tuchstärke geringer neu bestellen. So ist der Verlust relativ gering.
Andererseits, wenn das Segel nach oben noch 15-20 cm "Luft hat", dann kannst du unten am Vorliek einen ca 10-15 cm langen Verlängerungsstropp montieren, so kommt dann das Schothorn um das gleiche Maß höher und der Zugwinkel der Schot paßt wieder. Damit wäre der Zugwinkel kein Problem mehr.
Viele Grüsse

Uli
Zuletzt geändert von Uli am Dienstag 29. April 2014, 09:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Franz
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Franz »

Hallo Claus und Uli,
ich habe nicht nachgemessen sondern die Liekmaße aus dem Forum benutzt.
Selbst in den Originalunterlagen von Dehler finde ich hierzu keine Maßangaben.

Ich habe nach der 1. Saison sofort die Genuaschienen nachgerüstet, fahre die Fock aber immer
durch die Leitöse auf dem Kajütdach - das Boot läuft dann deutlich mehr Höhe.

Dass die Schot momentan zu sehr in das Unterliek zieht, finde ich nicht so tragisch.
Ich denke mit einem 10cm langen Vorlauf zwischen Fockroller und Segelhals kann ich das korrigieren.
Dadurch wird zwar der „Spalt“ zwischen Deck und Unterliek größer, aber ob sich das spürbar auf die Segelleistung auswirkt,
stelle ich mal in Frage. Die Fock nutzen wir eh nur bei Windstärken > 4Bf.

Ein festes Vorstag mit einer echten Rollreff-Anlage hätte ich auch gerne ;)
Aber bei meiner Anfrage habe ich wiederholt auf die TOP-REFF-Anlage hingewiesen.

Was ich als Laie nicht verstehe:
Warum werden die Ecken (z. B. im Unterliek) derart massiv ausgeführt, wenn das dazwischen liegende Segeltuch
derartige Zugkräfte gar nicht aufnehmen kann?
Gruß Franz
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silverchregu
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von silverchregu »

Hallo Franz

Sehen toll aus die Segel. Ich habe neue Tape Drive Silver. Direkt nach dem Auftuchen hatte ich auch Probleme mit dem Engziehen und vor allem das Schothorn liess sich am Schluss kaum um die eingerollte Genua wickeln. Bei mir ist eine Furlex Typ A montiert. Hatte die Verstärkungen etwas weichgeknetet und dann eine Woche in die Persenning gerollt. Beim ersten Auslaufen respektive nach dem ersten Törn dann ohne grösseren Probleme in die Persenning gepackt. Auch Kamin und Lazybag sind knallvoll. Aber das ist es ja was neue Tücher ausmacht. Ich denke der Segelhals wird schon noch etwas geschmeidiger.

http://www.jsch-beauftragter.de/forum/v ... 798bc5af96

Viel Spass damit!
Gruss Christian
Zitat Bobby Schenk: "Erst der Skipper macht das Schiff!"
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Uli
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Uli »

Hallo Franz, hallo Forum,
der Zug ist nun mal an den Lieken am stärksten und geht gerade am Vorliek in zwei Richtungen mit hohen Kräften, nach oben und nach hinten. Damit der Segelhals nicht gedehnt wird und das Segel somit die Form verliert, sind die Verstärkungen dort nötig.
Trotz der Probleme, handwerklich und auch vom Stand ein tolles Segel. Mit einem Verlängerungsstropp am Segelhals und Walken des Lieks solltest du die Probleme in den Griff bekommen.

Für alle Forumsmitglieder ist hier gut zu erkennen, wie wichtig es ist, dass die Maße für ein Segel exakt gemessen werden.
Ich habe es damals bei meinen Segeln selbst gemacht, indem ich mit drei dünnen Leinen alle drei Lieken simuliert habe.
Alle Leinen habe ich mehrmals verlängert bzw verkürzt, bis ich optimale Maße hatte.
Auf diese Weise konnte ich die Lieklängen und auch den Schotzug optimal konfigurieren.
Wenn man ein Segel in der nahen Umgebung beim heimischen Segelmacher bestellt, dann ist dies Aufgabe des Segelmachers
und sollte im Beisein mit dem Eigner erfolgen, wenn man das Segel in der Ferne bestellt, dann muss der Eigner halt mit o. g. Methode selbst messen. Keinesfalls würde ich mich aber auf Maße aus dem Forum verlassen, dass kann, wie man hier sieht, "in die Hose" gehen.
Ach ja, neue Segel werden ja gerne über den Winter bestellt. Man sollte aber noch vor dem Mastlegen im Herbst messen und die Mße dann notieren.
Viele Grüsse

Uli
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Franz
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Franz »

Hallo Christian, hallo Uli
Keine Frage, ein neues Segel ist (deswegen kaufen wir es ja), immer steifer und lässt sich aus diesem Grund entsprechend „schlechter“, sprich mit mehr Kraftaufwand und vergrößertem Radius auftrommeln.
Aber: Es lässt sich auftrommel, meines nicht. Auch nicht nachdem ich es gut und gerne 200x gewalkt habe.
Im Gegenteil, der Segelhals kollidiert bei jeder Umdrehung des Fockrollers 2x mit dem Bugkorb. Aber lassen wir das mal beiseite.

Was mir nicht einleuchten will:
Wenn ich eine Leine an einem Punkt fixiere und am anderen Ende eine Zugkraft ausübe, dann wirkt auf der gesamten Länge der Leine die gleiche Kraft. Einverstanden?

Wozu soll es gut sein, wenn ich z. B. bei einer 10m langen Leine mit d=4mm, das jeweilige Ende durch ein kurzes Stück mit d=16mm ersetze?

Wenn ich diesen Gedanken auf das Segel übertrage, bin ich wieder bei den überdimensionierten Eckverstärkungen.
Das zwischen diesen befindliche Segeltuch kann derartige Kräfte niemals aufnehmen. Siehe Skizze.
Skizze Vorsegel.jpg
Kann mich mal jemand erleuchten?
Gruß Franz
sailfan
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von sailfan »

naja, die Verstärkungen an den Ecken sind ja nicht für das Dichtholen oder Durchsetzen der Fock da, sondern wegen der Windkraft. Und bei der Windkraft ist es ja nun mal so, dass die Kraft, die der Wind auf die gesamte Segelfläche ausübt, auf die Ecken übertragen und dort dementsprechend konzentriert wird.
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Franz
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Franz »

Hallo Sailfan,
ich habe kein Gefühl dafür, welche Kräfte sich durch Windeinfluss bei X Bf hinzu addieren.

Ein mit der Winsch straff durchgesetztes Fockfall (gleiches gilt für die Fockschot), übt während des Törns eine
permanente Zugkraft auf das Vorliek bzw. Unterliek aus. Wie groß ist diese Belastung auf Zug im Vergleich zur "Windkraft"?

Hinzu kommt: Das Vorsegel ist ja nicht nur an den Eckpunkten „fixiert“ und ansonsten frei fliegend.
Die Stagreiter oder das Vorstagprofil einer Rollanlage nehmen ebenfalls Kräfte auf, wenn auch in anderer Richtung.

Gruß Franz
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Franz
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Re: Neue Fock und unerwartetes Problem

Beitrag von Franz »

Das habe ich gerade bei WIKIPEDIA gefunden:
Winddruck.jpg
Da auf einem Amwindkurs der Wind nicht senkrecht auf das Segel trifft sondern weit vorlicher einfällt,
gehe ich davon aus, dass die Kräfte deutlich kleiner ausfallen:

Bei 6 Bf wären das ca. 115 N/m²
Bei ~ 8 m² ergeben sich 920 N/m²
10 N/m² = 1 Kg

Das wären lediglich 92 Kg wenn der Wind senkrecht auf das Segel trifft - tut er aber nicht.
Mhm, das ist (gefühlt) sehr wenig, oder?
Gruß Franz
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